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Wegscheide: Ungenießbarkeit oder Genießbarkeit?

Heute Morgen, als ich zu meditieren versuchte, musste ich plötzlich über mich selbst lachen.
Es ist ja nicht so, dass das Meditieren immer lustig ist. Eigentlich ist Meditieren gar nicht lustig.
Lustig fand ich in diesem Moment eher mich selbst:
Wie oft ich dem Meditieren schon abgeschworen habe, nur um mich irgendwann doch wieder - so wie jetzt - ruhig dasitzend & meinem Atem folgend vorzufinden.

 

Es ist noch gar nicht lange her, da war ich mir sicher: So, jetzt lass ich´s!
Eine uns inzwischen schon wohlbekannte Vortragende des Lehrgangs in Salzburg sprach vom Sinn der Gefühle- hauptsächlich von den 4 Hauptemotionen: Wut, Traurigkeit, Angst und Freude.
Sie brachte es uns in der ihr entsprechenden Manier nahe: voller Inbrunst & Tiefgang, vorgeführt wie ein bayrisches Kabarett.
Ich konnte nicht anders, als diese Gefühle innerlich zu feiern, &
kam mir dabei aber selbst auf die Schliche, dass die Intention meiner Meditation war, diese Gefühle (also hauptsächlich die ersten 3; Freude: nur her damit!) weniger intensiv wahrzunehmen, eigentlich, sie abzuwimmeln.

 

Ich schwor mir feierlich, dies würd ich von nun an unterlassen.
Ehrlich gesagt, kam es mir auch nicht ganz ungelegen. Das mit dem Meditieren und mir war nicht ganz so eine einfache Beziehung, wie ich es mir ursprünglich ausmalte.
Da steht man in der Früh auf, ist vielleicht beschwingt & möchte "alles niederreißen", da fällt einem ein: Ach, ich sollte vielleicht zuvor noch ein wenig meditieren, direkt nach dem Aufstehen, wie ich es im TM-Kurs gelernt habe (TM= Transzendentale Meditation).
Schon ist der Wind heraußen: widerwillig, aber diszipliniert setzt man sich auf sein Kissen, schaut noch einmal sehnsüchtig durch das Fenster nach draußen, wo die Natur ein Fest zu geben scheint (Sonne, Vogelgezwitscher,..), & schließt dann ab…ähm..seine Augen.
Anspannung ausatmen, Entspannung einatmen, ausatm…plötzlich zwickt´s im Rücken. Ein wenig durchbewegen, dann nochmal von vorn. Und schon beginnt das Gedankenkarussell!

Ehrlich, ich glaube, ich denke den ganzen Tag über nicht soviel, wie in diesen 20 Minuten.
Es gleicht einem ziemlich langsam verstreichenden innerlichen Kampf (ich weiß, ich weiß, nur nichts bekämpfen..), den ich mir bildlich gesprochen folgendermaßen vorstelle:


Man spaziert an einen wunderschönen Waldrand, um Entspannung zu suchen. Dort lässt man sich nieder & schließt die Augen, doch sogleich kommen Bedenken auf: „Entspannt und mit geschlossenen Augen bin ich ja völlig wehrlos! Was, wenn sich irgendwelche Kreaturen mit fragwürdigen Absichten anschleichen?!“
Mit diesen Gedanken klettert man auf einen Jägerstand in der Nähe, schließt auch noch die Klappe, um ganz sicher zu sein, & krallt sich mit einer Hand am Gucker fest, den man dort vorfindet.
Alle 2 Minuten schielt man durch das Fenster(l) hinaus, ob sich eh nichts Furchterregendes nähert. Aber man ahnt nicht, dass man sich gerade mit dieser Aktion in die denkbar schlechteste Lage gebracht hat: Die Gefahren kriechen duckend heran, formieren sich

unter´m Jägerstand, wo sie völlig aus deinem Blickwinkel verschwinden, um dich allesamt heimzusuchen- einer nach dem anderen.

 

Beim Meditieren ist es so: Je mehr man sich gegen Gedanken wehrt - also je weniger man sich entspannt, weil man ständig auf der Lauer liegt- umso sicherer kannst du sein, dass sie dich mit ihrer Anwesenheit konfrontieren.
Aber da wären wir wieder beim Loslassen

 

Nun fragt man sich, warum man sich so etwas antut.
Ob man´s glaubt oder nicht, diese 20 Minuten, ob „Kampf“ oder nicht, bewirken (meistens) etwas in einem. Man fühlt sich anschließend (meistens) selbstbewusster, friedlicher, weiser.
Das hält, je nachdem, zwischen 5 Minuten & mehreren Stunden an.

 

Ich kann mir wirklich, wirklich gut vorstellen, dass mit routinemäßigem Meditieren ein Dauerzustand dieser Eigenschaften einhergeht.
„Zahn“ muss´dich halt!

 

Seit meinem feierlichen Schwur „zugunsten meiner Gefühle“, hab ich ca. schon wieder zweimal zu meditieren begonnen und wieder aufgehört.
(Wie heißt es so schön:  „Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.“)

 

Diese Wellenbewegungen, also das Abwechseln zwei absolut konträrer Phasen, begegnen mir durchwegs auch in anderen Bereichen meines Lebens.
-Mal treff ich täglich Leute, dann möchte ich wieder gar niemanden mehr sehen/hören.
-Zuzeiten verschlinge ich „esoterische“ Bücher, dann wird mir diese ganze Sache wieder viel zu abgehoben.
-Einmal zelebriere ich den Genuss von Alkohol, dann hasse ich ihn wieder.
-Völlige Diszipliniertheit & dann völlige Stillstand-Rebellion.

 

Nun könnte man sagen, das sei doch alles ganz normal. In jeder Beziehung, die man führt, gebe es Zeiten der Nähe und Zeiten der Distanz.
Freilich. Aber ich merke, ich sehne mich schon die längste Zeit nach einem stimmig dosierten Umgang.
Nicht nach einer Eintönigkeit, sondern nach flacheren Wellenbewegungen.

 

Flachere Wellen wären mir fast lieber.
Flachere Wellen wären mir fast lieber.

Ich hab viel darüber nachgedacht. Warum/Was/Wie?
Egal in welchem Bereich, ich merke, das Spielerische, das Leichte darin geht ab.
Gerald Hüther, Neurobiologe & Hirnforscher, sagt, das Gehirn entwickelt sich so, wie man es mit Begeisterung benutzt.
Und der Philosoph Richard David Precht fügt dem hinzu, dass wir hauptsächlich den Dingen nachgehen sollten, welche uns begeistern und sich gefühlt wie von alleine lernen.
Etwas, das sofort Widerstand in mir auslöst: Aber ich habe doch gelernt, dass nur der es zu etwas bringt, der sich kasteit & harte Arbeit verrichtet!?
Und doch, wenn ich mir ehrlich bin, hab ich mir von meiner Schulzeit nur das gemerkt, was mich begeisterte oder emotional aufgeladen war (hauptsächlich Lustiges). Da ich für meine Lieblingsfächer kaum etwas lernen musste, um gute Noten zu schreiben, konzentrierte ich mich stets auf den unlieben Stoff. Ich habe weeeesentlich mehr Zeit mit Themen & Fächern verbracht, die mich kaum „juckten“- mit dem Ergebnis, mir trotzdem nur das mitgenommen zu haben, was mich von Haus aus interessierte.

 

So hab ich auch diesen Satz der Psychologielehrerin aus der Pflegeschule verinnerlicht:
Was Widerstand in dir auslöst, hat mit dir selbst zutun.

Ja, es löst etwas in mir aus, wenn ich jemandem begegne, der es leicht nimmt, der tut, was ihn freut, der das Leben spielerisch angeht.
„Was erlaubt der sich“, denke ich mir dann mit zu Schlitzen geformten Augen.
Neid.

 

Neid, wo nichts & niemand mich davon abhält, es dieser Person gleich zu tun, & das Leben etwas lockerer anzugehen.
Neid, weil ich es mir selbst noch nicht erlaube.

 

Vielleicht fragst du dich, was das alles mit den Wellenbewegungen zu tun hat.
Weil ich es mir (noch) nicht erlaube, es easy anzugehen, stelle ich mir (unbewusst) einen Haufen Spielregeln auf, nach denen ich mich genauestens zu halten habe, solange, bis mir das ganze wieder zu bunt wird, & ich es wieder ganz bleiben lasse.
Regeln der Meditation:  zweimal täglich für 20 Minuten, das erste Mal gleich nach dem Aufstehen, das zweite Mal vor dem Abendessen; Es gilt keine geführte Meditation;
Regeln des Lesens: Das Buch muss von vorne nach hinten gelesen werden; Ich muss jeden Satz verstehen, darf nichts überlesen; Romane fungieren max. als Belohnung nach harten Schmökern;
Regeln des Radfahrens: Kein Absteigen oder pausieren zwischendurch; Beim Bergauffahren nicht den allerniedrigsten Gang verwenden;
usw.

 

Wow, das schreckt mich jetzt fast selbst. Ziemlich spießig!
Und wo ich es nun so vor mir stehen habe, fällt mir auch auf, woran der Fehler liegt:
Bei den Regeln fehlt das „Spiel-“!!

 

Ein Spiel mit Regeln ist okay, aber Regeln ohne ein Spiel?!
Will ich das mein Leben nennen?
Möchte ich, dass meine Kinder eines Tages meinen, sie möchten, wenn sie groß sind, auch mal Spießer werden (wie in dieser LBS-Werbung)?

 

Nein. Höchste Eisenbahn für ein Umdenken!

Ja zur Leichtigkeit & zum Spiel!


Und nach dieser Entscheidung gilt es, sich auch demnach zu verhalten.

 

Ich mag das Lesen von Sachbüchern, das Meditieren, das Helfen etc. ja prinzipiell.

Alternativ ginge:
-Vielleicht darf ich die Zeit des Meditierens spontan verkürzen, oder es an Tagen, an denen ich beim Aufstehen schon voller Tatendrang bin, & mich das Meditieren gar nicht reizt, bleiben lassen?
-Womöglich geht es auch, Termine mal zu verschieben oder abzusagen, wenn meine Stimmung überhaupt nicht danach ist.
-Und vielleicht erlaube ich mir von nun an, bei Büchern im Inhaltsverzeichnis zu stöbern, & das Kapitel zu wählen, das mich jetzt gerade interessiert. Oder ein Buch, ohne es ganz gelesen zu haben, wegzulegen. Zu „sündigen“, & zwei Romane hintereinander zu lesen? Gar drei?….

 

Ich merk schon, wie in mir die Lust zu lesen hochkommt. :-)

 

 

Wer streng zu sich ist, ist auch streng zu anderen.

Wer nicht genießt, wird ungenießbar.
Möchtest du das?


Elisabeth Lukas & ein Glaserl "Gspritzter Most" vertragen sich ausgezeichnet
Elisabeth Lukas & ein Glaserl "Gspritzter Most" vertragen sich ausgezeichnet