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Ich lass los

Nicht nur der Frühling bietet sich an, einen gründlichen Wohnungs- oder Hausputz durchzuführen, auch eine Zeit der Krise, wie wir die momentane Phase nennen,  tut es. Der Begriff Krise kommt vom Griechischen krisis und bedeutet Trennung, Entscheidung, Scheidung.
Den Wohnraum zu putzen, ihn von Staub und unnötig Herumstehendem zu befreien, verhilft nicht nur dazu, die momentan konzentrierte Zeit in den eigenen vier Wänden auszuhalten, sondern bewirkt auch ein Loslassen auf anderen Ebenen. Man entscheidet, sich von Belastendem und unliebsam Gewordenem zu trennen.

 


Das klingt alles sehr einfach und schön. Aber es ist ein sich-immer-wieder-entscheiden-müssen, & das ist ziemlich herausfordernd und anstrengend. Ich hatte schon lange keinen Guster mehr auf Cola, aber heute trank ich insgesamt einen Liter davon, eisgekühlt & sauber portioniert auf einen Zeitraum von 7 Stunden Putzzeit. Die Sehnsucht meines Organismus nach Energie kann man sich dabei vorstellen.

 

Loslassen ist in der spirituellen Szene, die momentan breit Fuß fasst, der letzte Schrei. Und ich versteh das schon: ein Hafen, der voller alter dauerparkender Schiffe ist, ist für neue, dynamische Schiffe nicht attraktiv.
Die materielle Welt eines Menschen spiegelt seine seelische wider. Man kann sich vorstellen, was  vollgeräumte, staubige Wohnräume, in denen man sich kaum rühren kann, auf seelischer Ebene bedeuten.

 


Henry Ford sagte mal, derjenige, der immer tut, was er schon kann, bleibt auch immer das, was er schon ist.
Manchmal wünschte ich mir, ich wäre jemand, der völlig zufrieden ist, mit dem was er hat oder wie er ist. Trotz intensiven Bemühens- bislang bin ich kein solcher. Es ist eher so, dass mich das zwanghafte Festhalten an einem Beruf, bei dem ich nie das Gefühl von Erfüllung spüren konnte, fast krank gemacht hätte. Trotz zahlreicher Anzeichen konnte ich nicht loslassen. Ich konnte einfach nicht…

 

 

...bis ich musste.
Im Nachhinein erscheint es dann sonnenklar und selbstverständlich – einfach.
Aber in der langen Zeit und dem Leidensweg, die ich brauchte, schwor ich mir, nie zu jemandem zu sagen, er solle doch einfach loslassen. Denn wenn es so einfach wäre, dann würde es dieser Mensch schon längst getan haben.

 

 

JEDER einzelne Mensch hat Dinge in seinem Leben, die er nicht loslassen kann.
Wir glauben oft deshalb, es gibt solche taffen Menschen, die keine Angst haben, weil diese ihre Loslass-Probleme in anderen Ebenen haben als man selbst, und man diesem Fokus keine Aufmerksamkeit schenkt.
Aber um wirklich alles loslassen zu können, muss man erleuchtet sein. Und wieviel solcher Menschen gibt bzw. gab es? Sind das dann überhaupt noch Menschen?

 

 

Ich hab mich durch Loslass-Ratgeber durchgequält, in der Hoffnung, dadurch etwas in mir zu bewirken. Ich fand leider nichts darin, was mich zum Loslassen bewegte.
Unverhofft fand ich dann irgendwann doch ein paar Zeilen in einem Buch, die mich ansprachen und sich für mich stimmig anfühlen.

 

 

Luisa Francia heißt die gute Frau, die da schreibt, „wenn du wirklich ganz loslässt, verlassen sofort Flüssigkeit und andere Substanzen deinen Körper.“ Es geht lt. Ihr gar nicht darum, loszulassen und immer locker zu sein. Ihr scheint das als eine mystifizierte Propaganda:  Hauptsache du merkst, dass du alles falsch machst. Sie selbst ließ sich beim Versuch loszulassen jahrelang von irgendwelchen modischen Ideologien leiten. Irgendwann entdeckte sie die Essenz des Loslassens: „Mit dem Einatmen erhöht man die Spannung, beim Ausatmen lässt man die Muskulatur los. Das Loslassen hat mit dem Atmen zu tun. Loslassen ist Ausatmen.“
„Loslassen, um frei zu werden, um sich einer Gefahr stellen zu können, bedeutet in Wirklichkeit Ausatmen. In einer Gefahrensituation bedeutet Ausatmen buchstäblich Spielraum gewinnen, wer ausatmet, kommt bei sich an.
Meistens halten wir in fordernden Momenten die Luft an oder atmen ganz flach. Gefangen im Einatmen, unfähig, zu handeln, unfähig, die Anlegestellen im Hirn freizumachen und die Angsthormone zu vertreiben, um wieder einen freien Fluss der Impulse möglich zu machen, bleibt der Schreck, der Schmerz, die Angst im Körper stecken.
Das Ausatmen ist die Ouvertüre zur Freiheit, es wirft Ballast ab und kommt zum Kern der Sache- zum Einatmen. Denn natürlich ist das Wichtigste beim Loslassen, dass es die Anlegestelle frei macht für Neues. Es geht nicht darum, sich von allem zu lösen. Wir leben in einem Körper und der hat Bedürfnisse. Wir brauchen die schönen Dinge des Lebens, um die Hässlichen zu ertragen.“
„Ausatmen und damit loslassen, was gehen soll, hilft, bei sich selbst anzukommen und sich für sich selbst zu entscheiden. Ausatmen und die eigene Stimme hörbar machen. Ausatmen und Kraft sammeln. Das ist ein guter Anfang auf dem Weg zur eigenen Befreiung. Ausatmen! Alles andere kommt von alleine.“

 

 

Klingt schön, nicht?