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Arrival of the Birds

Eine liebe Freundin hat mir kürzlich einen Pianisten gezeigt, dem sie selbst sehr gerne lauscht.

Er ist Däne, heißt Jacob Ladegaard, man findet ihn im Internet unter "Jacob's Piano" & ja- er spielt grandios!

 

Ich saß vor meinem Handy, lauschte einem Lied nach dem anderen von ihm.  Und  dann kam "Arrival of the birds". Es berührte mich ganz besonders.

Ich träumte mich in die Musik hinein

und kurz vor seinem Ende spähte ich noch auf den Titel, um ihn mir merken zu können.

 

Augenblicklich musste ich an die Predigt des Gastpfarrers bei der Neujahrsmette am 1. Jänner in unserer Gemeinde denken. 

Er erzählte von einer Begebenheit nach einer Beerdigung: Es durfte eine besonders tragische gewesen, so ging er danach melancholisch und mit gesenktem Blick in Richtung Pfarrhaus zurück, um sich umzuziehen. Ein junger Ministrant stapfte neben ihm her & riss ihn aus seiner Nachdenklichkeit, indem er gen Himmel zeigte und aufgeregt sagte: "Ein Bussard! Schau, da fliegt ein Bussard!"

Majestätisch kreiste ein solcher über ihnen. 

Der Pfarrer führte die Predigt weiter, indem er die Erkenntnis teilte, dass selbst er, gefestigt im Glauben, immer wieder vergesse, den Blick nach oben zu richten - gerade, wenn es am schwersten ist. Doch dass genau dort unsere Hoffnung und unser Halt liege.

Richte deinen Blick stets auf den Himmel. Der junge Ministrant tat es (noch) ganz selbstverständlich. 

 

Als ich dann hier, vor meinem Handy lungernd, darüber nachdachte, kam ich mir etwas blöd vor. Denn als ich aus dem Fenster schaute, war der Himmel seit langem wieder einmal halbwegs klar. Mir wäre es nicht mal aufgefallen, starrend in mein Handy....

 

Seither bemühe ich mich wieder sehr um die Regelmäßigkeit meiner Rituale, morgens nach dem Aufstehen, während ich auf das Sieden des Teewassers warte, auf die Dachterrasse zu gehen, mich in der frischen Morgenluft zu strecken und dabei in den Himmel und zum Pollhamer Wald zu blicken [meine legendäre Ex-Arbeitskollegen pflegte immer zu sagen, früh morgens sei die Welt noch nicht so "daschissen" :].

Und abends beim Zähneputzen das Dachfenster zu öffnen und hinauszuschauen/hinaufzuschauen. 

David Steindl-Rast meinte einmal, der Himmel gleiche an keinem Tag dem Himmel eines anderen Tages. 

 

[Gerade hab ich die Gelegenheit genutzt, um aus dem Dachfenster in den Himmel zu schauen. Es ist eine Challenge, sich nicht am Dreck der Fenster zu stören, sondern rein den Himmel zu betrachten. Es hat sich gelohnt: Die Sonne ist gerade dabei, das Wolkengrau zu verabschieden.]

 

Hab ich mir zum Schreiben ausgeliehen. Danke! Schoko-Chai-Tee aus dem Vogelhaferl.
Hab ich mir zum Schreiben ausgeliehen. Danke! Schoko-Chai-Tee aus dem Vogelhaferl.

Wenn ich über den Titel "Arrival of the birds" nachsinne, so kommt es mir als eine überaus stimmige Metapher für die wachsende Sehnsucht dieser Zeit vor, zumindest für mich.  Freiheit!

Auch ich scheine zu warten, wann die Vögel wieder zurückkehren, in dieser besonderen Zeit, die einem langen Winter gleicht. 

Doch blicke ich genug in den Himmel? Übersehe ich ihre Ankunft?

Vielleicht sind sie schon lange wieder da? Und womöglich waren manche gar nie weg?

Diese wunderbaren fliegenden Lebewesen, die einerseits für Freiheit stehen, auch für Lebensfreude & die Fähigkeit, die Thermik und den (Gegen-) Wind zu nutzen. 

So vieles könnte man sich von ihnen abschauen. 

 

 

Weil mir momentan der Rücken zu schaffen macht, übe ich mich wieder in morgendlichem Yoga. 

Als ich gestern auf der Matte lag, seitlich von mir meine Bücherwand, stach mir der Schriftzug eines schmalen Buchrückens ins Auge:

"Eine wunderbare Zeit zu leben".

Der Titel reizte mich (auf unangenehme Art)! Ich zog das Buch heraus und las mir vorsichtig Buchdeckel, Vorwort & dann versank ich schon in die ersten Kapitel. Es handelte sich um ein Buch über/von Stephen Hawking. 

Bereits mit 21 Jahren bekam er die Diagnose seiner Krankheit (vorerst fälschlicherweise MS, erst später ALS), die ihm ein schnelles Lebensende androhte. Natürlich war er anfangs schockiert und wütend. Wie konnte ihm das passieren?! 

Kurz nach seiner Krankenhausentlassung träumte er, er solle hingerichtet werden. Plötzlich begriff er, dass es eine Reihe wertvoller Dinge gab, die er tun könnte, wenn ihm ein Aufschub gewährt würde. 

Niemand rechnete mit einem Aufschub von 55 Jahren (er starb im Alter von 76 Jahren). 

Die Reihe wertvoller Dinge, die er in seinem Aufschub anging, waren u.a.  menschheitsbewegende Erkenntnisse im Bereich der Kosmologie, der Relativitätstheorie, der Schwarzen Löcher,... und das alles als Pflegebedürftiger ohne eigene Stimme.

Hatte er verstanden, was es heißt, den (Gegen-) Wind zu nutzen?

 

[An dieser Stelle: Sehr viele Vorfahren von Hawking waren Landwirte. Musste ich noch anbringen. Auch, weil der Gastpfarrer in seiner Predigt erwähnte, dass es Hirten waren, die den Stern von Betlehem als erste sahen bzw. denen der Engel erschien. Menschen, die viel unter freiem Himmel arbeiteten ;-]

 

 

Bevor ich heute begann, diesen Artikel zu schreiben, lauschte ich nochmal Jacob's Piano- "Arrival of the Birds". 

Ich fand heraus, es war kein Stück, das er selbst komponiert hatte, sondern ein Soundtrack von "Theory of Everything". 

Als ich diesen Film in meiner Suchmaschine eingab, war ich verblüfft: 

Es handelte sich um den Film "Die Entdeckung der Unendlichkeit", basierend auf dem Leben des theoretischen Physikers Stephen Hawking. 

 

Immer wieder muss ich staunen, wie alles zusammenhängt! Wie genial alles ist!

Oder wie Hawkings sagen würde:

 

Welch wunderbare Zeit zu leben!

 

 


Danke, Martina!


Auch immer wieder schön, dieses Video!

Schwärmende Stare in ihrer Murmuration- was für ein Schauspiel am Himmel!


Ps.: Das Titelbild dieses Artikels ist ein Foto, das ich in Nepal selbst geschossen habe (das Foto, nicht das Tier!).

Ein Goldadler, gesehen im Annapurna-Hochgebirge