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Gut angestimmt

Kürzlich waren ein Freund und ich bei dem Teich, den er & seine „Spezln“ die vergangenen Jahre von einem Bauern gepachtet hatten.
Als sie ihn übernahmen, waren sie voller Eifer – ein neuer Steg und Ablauf, Fische wurden eingesetzt, eine Holzhütte gebaut und mit ordentlich Inventar aufgefüllt (ich glaube sogar, ein Getränkekühlschrank war auch darin). Die erforderlichen Tätigkeiten, um den Teich instand zu halten, wie Rasenmähen, Algen rausziehen, etc., empfanden sie als keine große Last, war die Arbeit ihnen einerseits lustig & andererseits war soundso regelmäßig jemand von ihnen dort.
Sie liebten das Ambiente, verbrachten viele Sommernächte dort, in denen sie sich am Lagerfeuer wärmten & die Sterne beobachteten, bis sie am nächsten Morgen der Tag wachküsste.
Inzwischen war der Steg modrig & der Wasserstand niedrig. Ob noch der ein oder andere Fisch im Teich hauste? Wer weiß das.
Die letzten zwei Jahre war kaum mehr jemand am Teich. Nicht zuletzt durch die Veränderung der jeweiligen Lebenssituationen (Hausbau, Vaterschaft, Partnerschaft) waren die Zusammenkünfte an diesem schönen Plätzchen rarer geworden. Die Instandhaltung des Teiches wurde parallel zur Benützung weniger attraktiv.
In der wahrscheinlich letzten aller „Teichsitzungen“  wurde dann gemeinschaftlich entschieden, den Teich freizugeben & ihn einer Gruppe jüngerer Burschen zu überlassen, die darauf brannte, ihn wie sie damals auf Vordermann zu bringen & die Zeit dort zu genießen.

 

Ich konnte nicht umhin, dies zu bedauern (obwohl es weder mein Teich, noch meine Erinnerungen waren). „Vielleicht würde es ja noch einmal werden? Im nächsten Sommer bestimmt!“
Aber selbst in meinen Worten schwang Unglaube mit. Es war vorbei.

 

Diese Geschichte berührte mich natürlich deshalb, weil es an die Türen vieler meiner Erinnerungen klopfte.
Ach wie gut kenne ich das selbst:
Die anfängliche Euphorie über ein neue Begebenheit im eigenen Leben, die gefühlte Unfassbarkeit, dass einem solches Glück zuteil wird & die wunderbaren Momente, die man dadurch erlebt. Mit Vorliebe investiert man Zeit & Energie.
Dann irgendwann die Abnahme der Erlebnisse, das Einschleichen einer Selbstverständlichkeit & eines „schönen“ Tages vielleicht sogar das Gefühl, diese anfänglich so wundervolle Begebenheit mutierte klangheimlich zu einer Belastung (zumindest fühlt sie sich nicht mehr stimmig an).
Aber trotzdem will man nicht (sofort) loslassen. Voller Wehmut hängt man viel zu sehr an dieser Sache.

 

Diese Erfahrung kann sich durch sämtliche Beziehungen des eigenen Lebens ziehen, durch die Beziehung zu Menschen, zur Arbeit, zu freiwilligen Ämtern, zu Rollen, zu Kraftorten, zu Hobbies, zu Einstellungen & Glaubenssätzen, zu Werten & zu Gegenständen. Selbst zu Kleidungsstücken! ;-)
Was diese Beziehungen eint- sie sind allesamt Bühnen der Identitätsfindung.

 

Wir probieren uns in Beziehung aus, wie einst Martin Buber sagte, und werden am DU zum ICH.
Gäbe es nur mich auf dieser Welt & keine anderen Menschen, keine Natur, keine Tiere, keinen Gott, keine Kunst, keine Gegenstände etc., würde ich mich nie erfahren, mir selbst nie bewusst werden.
So lerne ich, wann immer ich mit etwas in Beziehung gehe, also eigentlich rund um die Uhr, etwas über mich selbst. Ob ich ein köstliches Getränk trinke, einen Text lese, mir ein schönes Kleidungsstück kaufe oder jemandem zuhöre. Ob ich singe, lache, helfe, Hilfe verweigere, bedroht oder krank werde- all das schenkt mir meist unbewusst kleine Puzzleteile, die ich immer mehr an das bereits bestehende Segment meines „Ich-Puzzles“ anlegen kann.

 

Von dem Ganzen spürbar sind für uns: Gefühle.
Sie sind letzten Endes die Codierung dahinter, die wir verstehen, das Richtungsweisende.
Was sich unstimmig anfühlt, also in den Beziehungen, in denen ich mich verstelle, um sie aufrecht zu erhalten, gehört nicht (mehr) zu mir. Dieses Puzzleteil passt einfach nicht (mehr), auch wenn man es mit aller Kraft irgendwo randrücken will.

 

In mir sind immer wieder große „Zweifler“.
Das, was ich bis jetzt geschrieben habe, hört sich ja auf dem Papier schön & gut an, aber in Wahrheit kann ich nicht alles hinschmeißen, nur weil es mich nicht mehr freut. Das spricht einigen meiner Werte ganz schön entgegen: z.B. dem Durchhaltevermögen, das ich im Elternhaus gelernt habe,
meinem Bedürfnis, ressourcenschonend zu agieren & Dinge fertig aufzubrauchen oder sie zu reparieren, um der Wegwerfgesellschaft etwas entgegen zu setzen.
Und natürlich möchte ich niemanden verletzen oder enttäuschen.

 

Ich glaube, für mich persönlich ist es wichtig, gut zu differenzieren.
Es gibt nämlich Tage, an denen ich am liebsten alles hinschmeißen würde.
Den eigenen Gefühlen trauen kommt mir manchmal wie das Betreten eines Minenfeldes vor. Welches Gefühl ist Wegweiser, welches nur Platzpatrone?
Man denkt an Menschen im Bekanntenkreis, die ständig „davonlaufen“, z.B. von einer Beziehung in die nächste,
& aber auch an welche, die ewig in einer Situation verweilen, & aus Angst vor der Veränderung ihr Lebensglück & ihre Gesundheit riskieren. Zu beiden Sorten will man nicht unbedingt gehören.

 

Wie differenziert man?
In uns drinnen gibt es eine „Kooperationsgenossenschaft“, die als Einheit unschlagbar ist, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen & eine Richtung einzuschlagen.
Die Rede ist von Herz & Verstand.

 

Wir sind es gewohnt, diese beiden separiert zu behandeln. Wir glauben wirklich, sie sind Gegenspieler. Aber beiden ist es zutiefst Anliegen, zusammenzufinden.

 

Eine weise Frau hat mir mal erklärt, dass sehr viele Menschen entweder zu stark im Kopf oder zu sehr im Herzen sind. Das hört sich vorerst komisch an- zu sehr im Herzen?!


Zu sehr im Kopf versteht man- man wagt den Absprung nicht, weil man zu große Angst hat.


Zu sehr aus dem Herzen heraus entscheiden bedeutet, ohne Sicherheitsnetz zu springen. Das sind Menschen, die ohne zu überlegen einen Job kündigen, & auf etliche Tausend Euro verzichten, die sie erhalten hätten, wenn sie nur 2 Monate länger geblieben wären.
Oder sich scheiden lassen & auf alles verzichten, ohne nachzudenken.
Beides will ich nicht verurteilen, beides könnte durchaus Sinn machen. Z.B. dann, wenn der Einsatz die eigene Gesundheit wäre. Auch eine gute Herz-Verstand-Beziehung könnte zu demselben Ergebnis kommen.
Aber bei der Entscheidungen von Menschen, die nur mit dem Herzen denken, fehlt oft das Bewusstsein über eine nötige Erdung &, dass wir auf einer materiellen Erde leben.

 

 

In einer heilen Kooperation liegt eine „Acht“ verbindend über Verstand & Herz.

 

Diese Acht ist dann blockiert, wenn ein „Stau“ im Hals herrscht. Die Halsregion steht für den Ausdruck unserer Gedanken & Gefühle (da haben wir sie wieder!), kreativem Selbstausdruck,  Kontakt mit der inneren Wahrheit, Unabhängigkeit.
Eine Blockade kann sich dadurch äußern, dass man nicht in der Lage ist, die eigenen Ideen, Gefühle, Meinungen und Vorstellungen auszudrücken, durch Hemmung, Scheu, Sprachblockaden und der Unfähigkeit, anderen zuzuhören.

 

Diese Blockade bewirkt, dass man entweder zu sehr im Kopf oder im Herzen ist. Beides zeugt von Disharmonie.
Wir Westler sind natürlich zum größten Teil zu sehr im Kopf gefangen.

 

Um zurück zum Ursprung zu kommen:
Eine heile Kooperation würde bewirken, dass wir von den Beziehungen ablassen, welche nicht mehr stimmig, gut & glückbringend (für uns & das Gegenüber) sind.
Und dass wir dort stark bleiben, kreativ werden, einstehen,
Sinn vollbringen, indem wir unsere Einstellung überdenken,
wo wir noch etwas zu lernen oder lehren haben.

 

Wir könnten wachsen, gedeihen, erblühen – so wie wir gedacht sind,
wissend loslassen & weiterziehen.

 

Also wenn du vermutest, keine gute Kooperation zwischen Herz & Verstand in dir zu vereinen, & dir obige Symptome bekannt vorkommen, beginne am besten damit, den Durchfluss wieder zu gewährleisten, indem du deinen Hals freimachst. (Bei uns würde man „gscheid durestrottn“ sagen.)


 Es ist kein Zufall, dass Stimme & Stimmigkeit ähnlich klingen - sie beide stammen aus ein und derselben Gebärmutter: dem Hals.


Ich wünsch dir von Herzen & mit Verstand Stimmigkeit in all deinen Beziehungen!