· 

Freude

Vor kurzem bekam ich ein Angebot, von dem ich bislang nur geträumt habe. 

Im ersten Moment sprang mein Herz wie wild vor Freude, stimmiger konnte es sich nicht anfühlen.

Doch bereits am nächsten Tag setzte mein Verstand ein, der meine Freude zügeln wollte. Es war ein wenig so, als würde ein Erwachsener ein überdrehtes Kind maßregeln. 

Das, was ich vorher noch vor Freude rausposaunen wollte, behielt ich nun wie einen zerbrechlichen Schatz bei mir.

Die Tage vergingen und ich merkte, wie statt Freude Vorsicht eintrat. 

"Das ist doch zu schön, um wahr zu sein". "Freu dich lieber nicht zu früh". "Da kann noch viel passieren, bevor das wirklich wahr wird" "Warte lieber noch mit dem Freuen", dachte es mich.

Warten?!

 

Heute wurde mir das so richtig bewusst. Fast automatisiert bekämpfte der Verstand die (Vor-)Freude. 

Darf man sich denn nicht mehr freuen? Ist es wirklich so gefährlich?

Wie wir wahrscheinlich alle erahnen, handelt es sich um einen typischen Schutzmechanismus. Wir machen Erfahrungen, in denen unsere Vorfreude enttäuscht wurde: 

Gehen in's Kino, um den hochgepriesenen Film anzusehen, um dann festzustellen, dass er uns selbst eigentlich nicht umhaut. 

Wir freuen uns nach einem ersten Date, dass wir endlich einen coolen Typen kennengelernt haben, um dann eine Abfuhr zu bekommen. 

Oder aber auch so einfach wie: Wir öffnen nach dem Einkauf daheim die Erdbeertasse & bemerken, dass die meisten davon faulig sind.

Enttäuschte Freude. Schmerz.

 

Wenn wir einige tausend Jahre der Menschheitsgeschichte zurückgehen zur Entwicklung unseres Gehirns, dann erkennen wir den Sinn dieses Schmerzvermeidungsmechanismus', der uns Menschen so inhärent ist. Dieser Mechanismus rettete Leben.

Heute, wo (zumindest bei uns im Westen) kaum mehr tägliche Lebensgefahr droht, sind wir auf unser Bewusstsein angewiesen, 

um solche Mechanismen aufzudecken. Denn sehr oft hindern sie uns daran, unser Leben erfüllend zu gestalten.

So auch die Angst vor Freude.

 

Müssen wir uns wirklich noch vor Freude fürchten? Selbst vor enttäuschter?

Und ab wann dürften wir denn überhaupt Freude fühlen? Wenn das Kind auf der Welt ist? Aber es könnte ihm doch was passieren. Außerdem nabelt es sich ja auch irgendwann mal ab.... 

Und dann ist da noch die Frage: Verlernen wir das Freuen nicht, wenn wir es nie üben?

Ein Kind freut sich im Normalfall täglich dutzende Male. Nichts leichter als das! Es ist auch in Übung, die Freudemuskulatur ist gut geölt. 

Und es gibt sie auch, die strahlenden Erwachsenen. Eine rare Spezies & doch laufen noch ein paar davon in freier Wildbahn herum.

Was ich beobachte ist, dass sie keine großen Dinge brauchen, um sich zu freuen. Es sind Kleinigkeiten, etliche verteilt über den Tag. Sie freuen sich, dass die Sonne scheint, über den guten morgendlichen Kaffee, das nette Gespräch mit der Kollegin, den erhaltenen Brief,....

Sie sind stets in Übung.

 

Vielleicht muss gar nicht unbedingt eintreten, worüber wir uns freuen können. Denn bei allem, was wir tun, geht es doch letztenendes darum, was wir dabei fühlen. Und Freude ist ein Gefühl, das aus dem Herzen kommt, stimuliert und lebendig macht. Wir könnten uns einfach freuen, dass wir uns freuen.

Es geht um die Freude an sich, nicht um den Grund. Reich ist, wer wenig braucht. Die Freude an sich macht reich.

 

Vor kurzem las ich ein Interview von Gerald Hüther, dem renommierten Hirnforscher.

Er erklärte darin, wie unsere Lebendigkeit und somit Lebensfreude dadurch verloren geht, indem wir versuchen, alles zu kontrollieren und unser Leben zu beherrschen. Leistungsanforderung, Druck und Wettbewerb prägen uns von Kindesbeinen an. 

Von uns wird erwartet, dass wir uns anpassen. Je besser, umso besser.

Übrig bleiben Menschen, die möglicherweise Karriere machen, gute Noten schreiben, aufsteigen, alles machen, was von ihnen verlangt wird. Brave Pflichterfüller, die jeden Tag in die Arbeit gehen, um immer mehr Geld zu verdienen. Das wird dann zum Selbstzweck. Sie finden aus dieser Verwicklung nicht mehr raus & sind dabei auch noch stolz auf sich, dass sie so erfolgreich sind. Die Freude dieser Menschen beschränkt sich dann auf die Befriedigung von Sekundärbedürfnissen. Sie sind glücklich, wenn sie sich einen Porsche oder einen Südseeurlaub leisten können, haben aber keinen Zugang mehr zu ihren lebendigen Bedürfnissen.

 

Was sind lebendige Bedürfnisse?

Das Lebendigste, das es gibt, bin ich selber! 

Also jene Bedürfnisse, die aus meinem Innersten kommen.

Lebendige Bedürfnisse sind zum Beispiel Sinnlichkeit, Entdeckerlust, Gestaltungslust, das Bedürfnis, sich um etwas zu kümmern oder für jemanden da zu sein.

Und das bereitet Lebensfreude.

 

Ein Leben mit vielen kleinen Freuden kann bestimmt das eine oder andere "zu früh gefreut" aufwiegen. Außerdem gibt es ja da noch die self-fulfilling-prophecy...

Also das nächste Mal, wenn mein Verstand die Freude dimmen will, halte ich zum Kind in mir, nicht zum Erwachsenen.

 

 

Was für ein geiles Angebot!!!  :D