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Der Druck, der mir inne wohnt

Schon seit Jahren wird in mir die Sehnsucht immer lauter, mich frei zu fühlen.

Meine erste Reaktion darauf damals war, diese Sehnsucht zu ignorieren. „Freiheit....tzz...“

Ich verglich mich mit anderen und sagte mir, ich wäre doch frei.

Tippte mir die Sehnsucht von hinten auf die Schulter, verscheuchte ich sie wie ein lästiges Insekt:

„Gusch Pepi!“

Doch sie gab nicht auf. Im Gegenteil- sie wurde zunehmend aufdringlicher und kündigte sich bei jeder Gelegenheit an, ohne meinerseits je Gastfreundschaft erwarten zu können.

 

Ich musste mir etwas überlegen, um sie zu zähmen.

Damals fiel mir Christoph Schlicks Buch „Was meinem Leben echten Sinn gibt“ in die Hände. Schlick spricht darin davon, dass Sehnsucht unserer ureigenen Geistigen Dimension (alias Seele) entspringt & uns eine Fährte auf unserem Weg zum persönlichen Sinn legt.

Das erschütterte mein Weltbild. Sehnsüchte waren doch gefährliche Verlockungen & Verheißungen, nicht?!?

 

Es dauerte noch eine ganze Zeit lang, bis ich zu meiner Freiheitssehnsucht stand. Der persönliche Leidensdruck musste noch gehörig ansteigen.

Aber schließlich und endlich gab ich nach & wurde aktiv. Ich holte zu kleineren und größeren

Befreiungsschlägen aus, probierte z.B. das „Nein-sagen“, bot mich weniger für freiwillige Hilfe an, erlaubte mir, Gedanken über das Kinderkriegen wegzuschieben & kündigte schließlich auch Ende letzten Jahres meinen langjährigen Job.

 

2020. Das Jahr mit dem Hauptschlagwort „Corona“.

Vorsichtig will ich hier anführen, dass sich die Corona-Maßnahmen für mich keineswegs freiheitsraubend anfühlten. Es spürte sich befreiend an, mich isolieren zu dürfen, zu sollen!

Ja, das irritierte mich vorerst auch, aber ich glaube, es war, wie es ein Kurskollege einmal so treffend formulierte: ich war beziehungsmüde.

Da war nun „Corona“ und ich setzte meine ganze Hoffnung hinein, die Ruhe, die es mit sich brachte,

als Zeit zum Regenerieren nutzen zu können.

 

Freier konnte ich nicht sein: keine Arbeit, kein Druck vom AMS (ein Kurs verschob sich), keine Kurswochenenden in Salzburg, keine Musikproben, keine Veranstaltungen & kaum andere Anfragen.

Und das alles zusätzlich zu meinen Grundbedingungen, die ebenso Freiheit anmuteten: keine Kinder und kein laufender Kredit.

 

Und trotzdem fühlte ich mich nicht frei.

Wann immer mich jemand fragte, was ich nun eigentlich so trieb, konnte ich kaum etwas darauf sagen,

aber (so ziemlich) jeder Tag fühlte sich angefüllt mit Verpflichtungen an.

Die Gefühle, die meine Sehnsucht nach Freiheit (& auch Leichtigkeit) groß werden ließen, waren noch immer da: der Druck, die Anspannung, die Getriebenheit, das stete Gefühl, auf etwas hinarbeiten zu müssen, schuldig zu sein. Genau der Nährboden, auf dem die Sehnsucht nach Freiheit erwuchs.

 

Abermals klopfte die Sehnsucht an.

Ich fühlte mich bloßgestellt.

Ich hatte den Helm meiner Freiheit auf Hochglanz poliert und nicht erkannt, dass es im Inneren faulte.

Jetzt hatte ich ihn auf und spürte bei jedem Klopfen der Sehnsucht an seiner Außenseite das Faule auf meiner Haut.

 

Einmal mehr verstand ich V. Frankls Bild der Freiheit: Die menschliche Freiheit lässt sich mit keiner Bedingtheit nehmen. Sie ist inneres Gut.

Der Mensch ist nicht frei von etwas, sondern frei zu etwas.

 

Aber wie gelangt man nun zu diesem Bewusstsein der inneren Freiheit?

 

Ein Thema im FBZ-Kurs, das abgegriffener nicht sein könnte, gab mir unverhofft erste Hinweise: „Work-life-Balance und Burnout“.

Ich erkannte, dass die Ursache des Drucks und Getriebenseins in mir ich war.

Mir wurde z.B. klar, dass es nicht normal, geschweige denn gut war, keine Pausen zu machen und jede Minute zu nutzen, um irgendetwas zu tun (z.B. in den Pausen eines Onlineseminars Staub zu saugen,

die heiße Badewanne zu nutzen, um schwierige logotherapeutische Texte zu lesen & künstlich Persönlichkeits-Themen zu bearbeiten, die gerade gar nicht dran waren).

Es hat dazu geführt, dass ich nichts mehr ordentlich machte, weil alles „zack-zack“ gehen musste, & das bei gleichzeitigem Perfektionsanspruch (Enttäuschung vorprogrammiert).

 

Ein Test über den persönlichen „Inneren Antreiber“ (der sehr empfehlenswert ist) gab mir Aufschluss darüber, was mich antrieb.

 

Ich spürte instinktiv, dass dieser Antreiber großen Einfluss auf mein Gefühl hatte, unfrei zu sein.

Er befahl & befahl, ohne meine Leistung jemals wert zu schätzen, & gewährte mir nicht,

auf meine Bedürfnisse zu hören. Er redete mir ein, ich hätte alles Mögliche zu tun, um zu gefallen.

Und: ich müsste allen gefallen.

 

Puh, da war ich nun, hatte jahrelanges Reflektieren hinter mir & erfuhr erst jetzt diese bahnbrechende,

so einfach scheinende Erkenntnis.

Es setzte der sogenannte Rumpelstilzchen-Effekt ein: Kaum hatte ich seinen Namen gefunden, war der Antreiber entwaffnet.

 

Nun ging & geht es darum, mein Vertrauen wiederzugewinnen: der gepeinigten und gepeitschten Irene in

mir mitfühlend zu begegnen, sie darin zu bestärken, sie sein & sich verteidigen zu dürfen, & Aufgaben auf ihren Situationssinn hin zu prüfen.

(Muss das sein? Muss das jetzt sein? Will ich das? Wofür wäre es gut?)

 

Etwas, das ich konkret tue, um nicht wieder in das selbe Muster zu fallen, ist, mir bewusst kleine Pausen zu gönnen, nachdem ich etwas erledigt habe (natürlich nicht nach jeder Kleinigkeit).

Klingt total banal. Ist aber alles andere als einfach. Im gegebenen Moment glaubt man nämlich nicht, eine Pause zu brauchen.

Oder man will nicht, denn bei diesen Pausen geht es nicht darum, auf sein Smartphone zu schauen oder sich mit etwas anderem abzulenken.

Nein, es ist wie gesagt eine bewusste Pause. Ein kurzes Unterbrechen des Hirndrucks, der Gedanken.

 

-So setze ich mich z.B. hin & folge bewusst meinem Atem, verlängere mein Ausatmen im Verhältnis

zum Einatmen.

-Oder ich spüre bewusst in alle möglichen Körperteile.

-Oder ich stelle mir vor, wie ein Lichtstrahl der Sonne einen verspannten Körperteil anscheint & fühle

hinein, wie sich das anspürt.

 

Einfach etwas, was für 2,3 Minuten mein Gedankenkarussell stoppt. Mehr braucht es nicht.

Und dann gehe ich wieder an die Arbeit, bewusst langsamer.

 

Es ist erstaunlich, welche Wirkung diese kleinen vorbeugenden Pausen haben!

Sie sind höchst fruchtbar.

Ich fühle mich freier, mein Kopf ist leichter & ich empfinde wieder mehr Freude am Tun.

Der Druck in mir - er entweicht.

 

Heute las ich die tragische Nachricht, dass der „Maestro“ Ennio Morricone verstorben sei.

Es erschütterte mich, da ich ihn vergangenes Jahr noch in der Arena di Verona live gesehen & gehört hatte. Seine Musik geht mir tief unter die Haut. Mein Freund & ich haben zahlreiche Nächte verbracht, (bei einem Gläschen Wein) seine Schallplatten zu hören und dabei ausdrucksstark zu tanzen.

In einem Artikel, den ich heute las, stand, dass Morricone auf die Bedeutsamkeit von Pausen hinwies.

Er meinte: „Wenn man zum Herzen meiner Musik gelangen will, muss man in den Pausen, in der Stille suchen. Denn Stille ist Musik, so viel wie die Klänge und vielleicht noch mehr“

 

Genau wie er, glaube ich,

dass wir die Melodie, die unser Herz spielt,

das, was unser Leben ausmacht,

nur in den Pausen, in der Stille hören können.

 

 

 

So, und jetzt warte ich auf weitere Hinweise auf meinem Weg zur inneren Freiheit. Denn wie alles ist auch dieser hier ein Prozess...

Freiheit, ich komme ! (Versuch, der Dritte :)

 


Der Weg zur Freiheit ist kein Klacks...
Der Weg zur Freiheit ist kein Klacks...
...aber er lohnt sich,...
...aber er lohnt sich,...
..., denn der (Aus-) Blick wird immer weiter
..., denn der (Aus-) Blick wird immer weiter

Aus der dynamischen Spannung zwischen unseren Antrieben und unseren Ängsten ergibt sich das Drama unseres Lebens.

(Dan Millman)


Ennio Morricone- Ein Mann, der mit seiner Kunst unter die Haut ging